Der Jahreswechsel ist ja immer eine schöne Gelegenheit, um ein wenig in sich zu gehen, und mehr oder weniger entspannt einen Blick zurück auf das vergangene Jahr zu werfen. Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, um einmal zu schauen, welchen Stellenwert Brettspiele für mich mittlerweile einnehmen. Denn sie sind für mich nicht mehr nur ein einfaches Hobby, sondern auch ein gutes Stück Lebensqualität.
Der Blick in die (ferne) Vergangenheit
Um das zu erklären, muss ich ein wenig weiter zurück in die Vergangenheit schauen. Genaugenommen ziemlich weit. Seit ungefähr meiner Hauptschulzeit fiel es mir schwer, irgendetwas außerhalb meines vertrauten Umfeldes zu unternehmen. Seien es jetzt Reisen, Kinobesuche oder auch einfach nur Besuche bei Freunden. Unwohlsein war dabei mein steter Begleiter. Dieser Zustand hat sich im Lauf der Jahre schleichend verschlechtert, so dass ich gegen Ende meiner Ausbildungszeit außer meiner Arbeit im Grunde genommen nichts mehr auf die Reihe bekommen habe – selbst einfache Besuche bei Freunden waren schwierig bis unmöglich geworden.
Als ich irgendwann soweit war, mir einzugestehen, dass ich möglicherweise ein Problem habe, konnte ich zunächst gegenüber engen Freunden darüber reden. Gewappnet und gestützt von ihrem Verständnis, für das ich bis heute unendlich dankbar bin, konnte ich mich langsam wieder zurück ins Leben kämpfen. Ein jahrelanger Prozess mit vielen kleinen Schritten vorwärts und natürlich auch zurück, der im Grunde immer noch anhält.
Geblieben ist, dass ich mich von bestimmten Dingen wie Partys oder großen Feiern fernhalte, womit ich aber ganz gut leben kann. Auch fällt mir der Kontakt mit fremden Menschen und generell der Umgang mit neuen Situationen immer noch schwer. Gerade ersteres finde ich extrem schwierig, da auch durch mein eher nerdiges Interessensspektrum Smalltalk nicht unbedingt zu meinen größten Stärken zählt.
Aber genug zur Vorgeschichte, was hat das alles nun mit Brettspielen zu tun?
Der Blick in die (jüngere) Vergangenheit
Nun, sie haben mir kurz gesagt sehr dabei geholfen, mich aus der kleinen Komfortzone, die ich um mich herum gebaut habe, herauszuwagen.
Bis vor ca. drei Jahren konnte ich dieses Hobby lediglich über das Bemalen von Miniaturen praktizieren, und allerhöchstens online ein wenig mit Gleichgesinnten darüber reden. In meinem direkten Freundeskreis konnte ich nie jemanden dazu bewegen, sich aktiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
2016 habe ich dann über ein Praktikum Franziska und Patrick kennengelernt, mit denen ich endlich auch einmal aktiv ins Hobby einsteigen konnte. Auch wenn wir uns nur relativ selten zum Spielen getroffen haben, die Saat war ausgesät.
Ein Jahr später habe ich dann die Hoffnung, in meinem direkten Bekanntenkreis weitere Menschen zum Spielen zu bringen, aufgegeben. Ich musste es wohl oder übel riskieren, mich vollkommen fremden Menschen als Mitspieler anzubieten.
Ein riesiger Schritt für mich, aber inzwischen hatte ich Blut geleckt und war verzweifelt genug, das einfach zu riskieren.
Kaum hatte ich mich auf (der übrigens sehr empfehlenswerten) Seite gesellschaftssspieler-gesucht.de angemeldet, erhielt ich eine Nachricht von Désirée, die mit einigen Mitstreitern einen mehr oder weniger regelmäßigen Brettspieltreff veranstaltete. Der war zwar knapp 40 km entfernt, aber die Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Der erste Besuch bei diesem Treffen war ziemlich hart, und ich war mehr als unsicher, ob es eine kluge Entscheidung war, zuzusagen. Die Zeit hat gezeigt, dass das eine mehr als kluge Entscheidung war. Wir haben uns super verstanden, es war ein toller, verspielter Nachmittag.
In den letzten zwei Jahren habe ich viele neue Mitspieler kennengelernt, einige davon darf ich inzwischen zu meinem engeren Freundeskreis zählen, wofür ich wahnsinnig dankbar bin.
Der Blick auf die Gegenwart
Inzwischen fällt es mir deutlich leichter, mich auch mit unbekannten Menschen zum Spielen zu
verabreden. Zum einen hatte ich bisher das ausgesprochene Glück, ausnahmslos extrem anständige Leute zu treffen, zum anderen habe ich festgestellt, dass das gemeinsame Hobby immer ausreichendes Gesprächsmaterial bietet, um nicht in meine übliche Smalltalkfalle zu tappen, was mir deutlich mehr Sicherheit gegeben hat.
Die Wochenenden, die ich alleine zu Hause verbringe, kann ich mittlerweile fast an einer Hand abzählen, und der Stapel ungespielter Spiele in meinem Regal (der liebevoll genannte Mountain of Joy) wird trotz fleißiger Neuerwerbungen immer kleiner.
Im Oktober war dann noch die Spiel 2018, in der ich den Schritt gewagt habe, mich mit einigen meiner Onlinebekanntschaften persönlich zu treffen. Was sich ebenfalls als kluge Entscheidung herausgestellt hat. Auch hier durfte ich wahnsinnig nette Menschen kennenlernen.
Zuletzt habe ich auch in meiner kleinen Twitterblase feststellen können, dass die Schnittmenge hochgradig netter Menschen in diesem Hobby scheinbar größer ist, als anderswo. Keine Spur von Hass oder Aggression, überall treffe ich auf Leute, die mit viel Liebe und Begeisterung ihr Hobby teilen. Sei es jetzt durch Tweets, Podcasts oder Youtube-Videos. Das macht mich unglaublich dankbar, ein Teil dieses Hobbys sein zu dürfen.
All das macht mein Brettspielhobby für mich zu so viel mehr als einem einfachen Zeitvertreib. Mir persönlich hat es gerade in den letzten zwei bis drei Jahren eine Lebensqualität gegeben, die ich in den Jahren zuvor zwar nicht direkt vermisst habe, die mir rückblickend betrachtet aber dennoch gefehlt hat.
Und dafür möchte ich mich bei allen, die mich auf diesem Weg begleiten – sei es online oder auch persönlich – von ganzem Herzen danken! Ich bin froh und dankbar, euch zu kennen.
Lebt lang und in Frieden,
Andreas